Die Kälte nach der TCM

Kälte steht in der TCM erst einmal für einen äußeren, klimatischen Einfluss. Kälte beeinflusst unser inneres Gleichgewicht, ob positiv oder negativ hängt dabei (wie bei allen inneren oder äußeren Einflüssen) vom Ausmaß und der Dauer der Kälte ab. Zu starke und zu lange anhaltende Kälte macht krank, angemessene Kälte aber wirkt vitalisierend, härtet uns ab und stärkt die Gesundheit.

Was bewirkt Kälte in uns? Als Yin-Faktor bringt er den Organismus dazu, alle seine Prozesse zu verlangsamen, insbesondere die Zirkulation und der Transport werden erschwert. Außerdem bringt der Körper als Reaktion auf äußere Kälte Qi und Blut mehr in das Körperinnere, die Poren der Haut verschließen sich, die Körperoberfläche und die Extremitäten kühlen aus. Das ist der Grund dafür, dass wir im Winter trockenere Haut und kalte Finger haben. Dieses Zusammenziehen der Ressourcen ist als natürliche Reaktion des Organismus auf die Kälte sehr sinnvoll, denn es verhindert  den Verlust von zu viel Wärme und Energie.

Wenn wir gesund sind und die Kälte nicht zu extrem, dann können wir uns sehr gut gegen sie schützen: die Kälte wird an der Haut abgewehrt und kann nicht eindringen. Dafür sorgt nach der TCM das so genannte Abwehr-Qi (chin. weiqi). Es zirkuliert direkt unter der Haut, wärmt sie und kontrolliert Öffnen und Schließen der Poren. Personen mit einem schwachen Abwehr-Qi frösteln leicht, verkühlen sich ständig, spüren jeden Luftzug oder haben öfters einen Hexenschuss. Ein guter Rat in diesem Fall sind regelmäßige und fachgemäß durchgeführte Saunabesuche, denn sie trainieren das Abwehr-Qi, machen es stark und reaktionsfreudig. Auch ein wenig mehr an scharfen, wärmenden und leicht schweißtreibenden Gewürzen, wie Knoblauch, Frühlingszwiebel, frischer Ingwer, Koriander, Rosmarin oder Basilikum sind in diesem Fall angesagt. Sie alle bringen das Qi an die Körperoberfläche und helfen dadurch dem Organismus dabei, sich besser zu schützen. Alkohol hat eine ähnliche Wirkung und wird deshalb in der TCM zu therapeutischen (!) Zwecken eingesetzt.

Manchmal dringt die Kälte nicht nur in die Poren der Haut, sondern direkt in die inneren Organe ein. Das passiert zum Beispiel, wenn wir eine Blasenentzündung bekommen, nachdem wir zu lange auf einem kalten Stein gesessen haben. Besonders leicht passiert das in der unteren Körperhälfte, also an Füßen, Beinen, Blase und Nieren, Darm und Gebärmutter. Die TCM sagt deshalb, dass der Funktionskreis Niere (und damit der gesamte untere Körperbereich) besonders sensibel auf äußere Kälte anspricht und deshalb mehr als andere vor übermäßiger Kälte geschützt werden sollte (was leider nicht der gängigen Kleiderordnung entspricht).

Bisher haben wir über äußere Kälte gesprochen und darüber, wie sie in den Körper eindringt. Es gibt nach der TCM aber auch Formen von innerer, leerer Kälte. In Wahrheit handelt es sich dabei um chronische Störungen des inneren Gleichgewichts, die zwar nicht unbedingt von äußerer Kälte verursacht werden, sich aber genauso anfühlen und aussehen, wie durch äußere Kälte bedingte Zustände. Daher die Bezeichnung „Kälte“. In der TCM kann man bei diesen Störungen auch von Yang-Mangel sprechen, also einem Mangel an körpereigener Wärme und Dynamik.

Menschen mit einem Yang-Mangel haben ein Kälteempfinden an Händen und Füßen, aber auch an Bauch, Lendengegend, Gesäß oder Oberschenkeln. Sie machen oft die Erfahrung, dass es ihnen nur schwer gelingt, warm zu werden. Meist lieben sie den Sommer und fürchten den Winter, sind im Allgemeinen eher langsam und träge und brauchen viel Schlaf. Mit den genannten Gewürzen, Saunagängen oder heißen Wannenbädern ist es in diesem Fall nicht getan. Im Gegenteil: wenn das Qi und damit die Wärme an die Körperoberfläche strömen, gibt das zwar kurzzeitig ein angenehmes Wärmegefühl, aber langfristig kühlt der Körper noch stärker aus und das Grundproblem kann sich sogar noch verschlimmern.

Was also tun in diesem Fall? Das Yang zu stärken, wenn es schwächelt, ist keine Sache von ein paar Tagen, also braucht es zunächst einmal Geduld. Ernährung und Kräutertherapie stehen hier im Vordergrund, wie bei allen Leere-Mustern. Wenn von außen Wärme zugeführt werden soll, so möglichst kleinflächig und direkt an wichtigen Zonen und Punkten: ein Wärmekissen mit grobem Salz oder Kirschkernen auf die Lendengegend oder ein Ingwerfußbad schleusen die Wärme direkt in den Funktionskreis Niere, dem Ursprung allen Yangs. Und auch die Moxibustion, bei der Wärme direkt auf bestimmte Akupunkturpunkte wirkt, ist unter Anleitung eines TCM-Therapeuten ein einfaches und äußerst wirksames Mittel um das innere Feuer wieder anzufachen. Über eine Yang-stärkende Ernährung … ein andermal.

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